Marcovaldo, ipotesi di traduzione in tedesco

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Italo Calvino

Italo Calvino

„Marcovaldos Naturliebe kann nur in einem Stadtmenschen entstehen: Darum können wir nichts über eine eventuelle Herkunft von ihm außerhalb der Stadt  wissen; dieser Stadtfremde ist der Stadtmensch schlechthin.“

Das sagte Italo Calvino anlässlich der Vorstellung von „Marcovaldo, beziehungsweise die Jahreszeiten in der Stadt“ (Marcovaldo, ovvero le stagioni in città) im Jahre 1966.

Marcovaldo ist ein einfacher Mann, der die Natur sucht, aber in Wirklichkeit eine falsche Natur findet. Er findet eine tückische, von künstlichem Leben verfälschte Natur. Marcovaldo ist der drollige, trübsinnige Held von zwanzig modernen Erzählungen, die gemeinsam eine umfassendere Satire des italienischen Wirtschaftswunders zusammenstellen. Man weiß fast nichts über ihn: Er hat eine einfache Seele und eine große Familie, arbeitet als Handlanger in einer Firma. Er wurde nämlich dank der folgenden wahren Geschichte geboren, die durch einen Handlanger in den Verlag gebracht wurde, in dem Calvino arbeitet.

 

Die Pilze

Der vom Norden kommende Wind bringt der Stadt merkwürdige Geschenke, die nur wenige sensible Seelen wahrnehmen, zum Beispiel diejenigen, die der Blütenstaub von Blumen anderer Länder zum Niesen bringt.

Eines Tages wehte ein Windstoß Blütenstaub an den Beetrand einer Stadtstraße und ließ dort einige Pilze sprießen. Niemand bemerkte sie außer dem Handlanger Marcovaldo, der die Straßenbahn jeden Morgen genau dort nahm.

Dieser Marcovaldo hatte zwei Augen, die aber nicht für das Stadtleben geeignet waren: Plakate, Ampeln, Schaufenster, leuchtende Zeichen und  Schilder hielten nie lange seinen Blick, der aussah, als ob er auf den Wüstensand guckte, obwohl all diese Dinge sehr gut entworfen waren. Dagegen entging ihm nie ein auf dem Ast welkendes Blatt oder eine auf einem Dachziegel klebende Daune; er ließ keine Bremse auf dem Rücken eines Pferdes, keinen Holzwurmstich eines Tisches, keine auf dem Gehsteig zerquetschte Feige außer Acht. Er dachte sehr lang darüber nach und er entdeckte den Wechsel der Jahreszeiten, die tiefsten Wünsche seines Herzens und das Elend seines Lebens.

So betrachtete er eines Morgens, während er auf die Straßenbahn zur Fabrik „Sbav“ (wo er arbeitete) wartete, etwas Merkwürdiges an der Haltestelle, in dem unfruchtbaren und verkrusteten Erdbodenstrich, der den Bäumen der Allee folgt: Er sah Beulen an bestimmten Orten, an den Baumstrümpfen, die sich aufmachten und kugelige unterirdische Körper auftauchen ließen.

Er bückte sich, um seine Schuhe zuzubinden und beobachtete sie genauer: das waren Pilze, echte Pilze, die genau im Herzen der Stadt auftauchten! Marcovaldo glaubte, dass seine graue und arme Welt plötzlich voll von verstecktem Reichtum sei und man vom Leben noch etwas erwarten könnte, außer dem Vertragsstundenlohn, der Zulage, der Teuerung und der Teuerungszulage.

An der Arbeit war er geistesabwesender als es sonst seine Gewohnheit war; er dachte an die Pilze. Während er dabei war, Pakete und Kisten abzuladen, ließen die ruhigen, langsamen, nur ihm bekannten Pilze ihr löchriges Fruchtfleisch im Dunklen der Erde reifen, sie assimilierten unterirdische Säfte und brachen die Kruste des Erdbodens. „Eine Regennacht“,  sagte er sich selbst, „und sie könnten schon gepflückt werden“. Und er konnte es kaum erwarten, über die Entdeckung mit seiner Frau und seinen sechs Söhnen, zu sprechen.

„Nun sage ich euch etwas!“  kündete er im Laufe des mageren Abendessens an,  „in der Woche essen wir Pilze! Schön gebacken! Ich versichere es euch!“

Da die kleinsten nicht wussten, was Pilze waren, erklärte er ihnen entspannt die Schönheit ihrer vielen Typen, die Leichte ihres Geschmacks und wie man sie kochen kann; und er brachte damit auch seine Frau Domitilla in die Diskussion ein, die bisher ziemlich abwesend und ungläubig geblieben war.

„Und wo sind denn diese Pilze?“  fragten die Kinder, „Sag uns mal, wo sie wachsen!“

Mit diesen letzten Fragen wurde Marcovaldos Begeisterung von einem argwöhnischen Gedankengang beherrscht: „Jetzt erkläre ich ihnen den Platz, sie gehen mit einer der gewöhnlichen Schlingelbanden dorthin, das Gerücht läuft durch das ganze Stadtviertel und die Pilze laufen in die Töpfe der anderen!“

Die Entdeckung, die vorher sein Herz mit Weltliebe voll gestopft hatte, brachte ihm jetzt Besitzwut und umschloss ihn mit eifersüchtiger und misstrauischer Angst.

„Den Ort der Pilze kenne nur ich und ich ganz allein“, sagte er seinen Kindern, „und ihr dürft über die Pilze kein Gerücht laufen lassen.“

Am folgenden Morgen war Marcovaldo sehr besorgt, während er zur Haltestelle ging. Er bückte sich über das Beet, und erleichtert sah er, dass die noch unter der Erde versteckten Pilze ein bisschen gewachsen waren.

Er war immer noch so gebückt, als er den Mann hinter sich bemerkte. Er stand auf und versuchte, ungerührt auszusehen. Ein Straßenkehrer stand an seinem Kehrbesen gelehnt, er schaute Marcovaldo geradewegs an.

Dieser Straßenkehrer, in dessen Gerichtsbarkeit die Pilze waren, war ein bebrillter, hochaufgeschossener Junge. Sein Name war Amadigi, und er war dem Marcovaldo schon seit langem unsympathisch; vielleicht war jene Brille daran schuld, die den Straßenasphalt dauernd beobachtete, um jede Spur von Natur mit häufigen Besenstößen auszulöschen.

Es war Samstag, Marcovaldo verbrachte den freien Halbtag in der Nähe vom Beet; er ging herum, betrachtete den Straßenkehrer und die Pilze von weitem und versuchte, die Zeit auszurechnen, die die Pilze brauchten, um groß genug zu wachsen.

In der Nacht regnete es: wie Bauer nach Dürre aufwachen und am Geräusch der ersten Regentropfen aufjauchzen, genauso wachte Marcovaldo (als einziger in der ganzen Stadt) auf, setzte sich auf das Bett und weckte die Familienangehörigen. „Es ist Regen, es regnet!“ und er holte tief Atem vom Geruch des nassen Staubs und des frischen Schimmels, der von draußen herkam.

Bei Tagesanbruch – es war Sonntag – lief er sofort mit den Kindern und mit einer geborgten Kiste zum Beet. Die Pilze standen mit ihren Hüten da, auf ihren Stielen, auf dem noch nassen Erdboden. „Hurra!“ und sie stürzten sich auf die Pilze, um sie zu pflücken.

„Vati! Schau mal den Herrn da an, wie viele Pilze er gepflückt hat!“ sagte Michelino, der Vater hob seinen Kopf und sah Amadigi, der neben ihnen mit einer am Arm hängenden Kiste voller Pilze stand. 

„Aha, pflücken Sie sie auch?“, fragte der Straßenkehrer. „Also sind die gut zum Essen? Ich hab’ welche gepflückt, wusste aber nicht, ob ich denen vertrauen konnte… Dort, in der Allee, sind noch größere aufgetaucht… Jetzt weiß ich es also, ich benachrichtige meine Verwandten, die immer noch da sind: sie diskutieren gerade, ob es besser sei, sie zu pflücken oder nicht…“,  und er lief schnell weg.

Marcovaldo blieb wortlos zurück: Größere Pilze, die er nicht bemerkt hatte, eine nie erhoffte Ernte, die ihm so, vor der Nase, weggenommen wurde.

Er blieb einen Moment stehen, fast vom Zorn, von der Wut versteinert, dann veränderte sich – wie es manchmal geschieht – der Zusammenbruch jener individuellen Leidenschaften zu einem großherzigen Aufschwung. Um jene Zeit warteten viele Leute auf die Straßenbahn mit einem Regenschirm, denn das Wetter blieb feucht und wechselhaft. „He, ihr alle! Wollt Ihr Backpilze zum Abendessen?“ schrie Marcovaldo  den an der Haltestelle zusammengedrängten Leuten zu, „Es sind nämlich Pilze dort in der Allee gewachsen! Kommt mal mit! Es gibt Pilze für alle!“, und er war dem Amadigi auf den Fersen, gefolgt von einer riesigen Menschenschlange.

Sie fanden noch Pilze für alle, und da Kisten fehlten, legten sie alle in die geöffneten Regenschirme. Jemand sagte: „Es wäre schön, alle zusammen zu Abend zu essen!“

Dagegen nahm jeder seine Pilze mit und alle gingen heim.

Aber sie sahen sich bald wieder: Sie waren am selben Abend in dem selben Krankensaal nach der Magenspülung, die sie alle von der Pilzvergiftung rettete. Diese war nicht schwer, weil jeder ganz wenig gegessen hatte.

Marcovaldo und Amadigi hatten die Betten nebeneinander und sie schauten aneinander schief an.

 

Traduzione a cura di Francesco Mosetto (1D)

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