Es war einmal ein sehr reicher Prinz. Er wollte sich gar einen Palast dem königlichen Palast gegenüber aufbauen lassen, aber er musste schöner sein als der des Königs. Als er fertig war, ließ der Prinz über dem Tor schreiben: „Geld kann alles“.
Der König ging aus seinem Palast hinaus, sah jene Aufschrift und las sie. Er ließ sofort den Prinzen rufen, der noch nicht auf dem königlichen Hofe gewesen war, da er nicht seit langem in der Stadt wohnte. „Ich gratuliere dir“, sagte ihm der König, „dein Palast ist wunderbar. Mein Haus scheint eine Hütte, wenn man es mit deinem vergleicht! Bravo. Und, sag mal, bist du es, der schreiben lassen hast, dass Geld alles kann?“
Der Prinz begann zu verstehen, dass er vielleicht zu ehrgeizig gewesen war.
„Jawohl“, antwortete er, „aber falls Ihnen die Aufschrift nicht gefällt, wird sie sofort entfernt…“
„Nein, nein. Ich verlange nicht soviel; ich möchte bloß von dir erfahren, was du damit gemeint hast. Glaubst du vielleicht, dass du mich mit deinem Geld töten kannst?“
Der Prinz begriff, dass die Sache schwierig wurde.
„Majestät, vergeben Sie mir, ich lass’ sofort jene Aufschrift streichen! Und wenn mein Palast ihnen nicht gefällt, sagen Sie’s mir, und ich mach’ ihn gleich zu Schutt.“
„Nein, nein, bitte! Lass es sein. Aber, da du sagst, dass man mit dem Geld alles kann, beweise es. Ich gebe dir drei Tage Zeit, um mit meiner Tochter zu reden. Wenn du das schaffst, dann heiratest du sie… andernfalls werde ich dich enthaupten lassen. Einverstanden?“
Der Prinz blieb sehr besorgt: Er aß nicht mehr, trank nicht mehr, schlief nicht mehr; er dachte nur daran, wie er sich retten konnte. Am zweiten Tag war er sicher, der Sache nie mehr auf den Grund kommen zu können und entschied, sein Testament zu machen. Es gab keine Hoffnung: Die Tochter des Königs war in ein Schloss mit hundert Wächtern gesperrt worden. Der Prinz war blass und bedrückt und begann sich mit dem Tod abzufinden. Seine Amme, eine vertrottelte alte Frau, besuchte ihm: er hielt sie immer noch als Putzfrau. Als sie ihn so traurig sah, fragte sie ihn, was los sei. Nach vielen Versuchen schaffte es die Amme, alles zu erfahren.
„Nanu?“ sagte sie, „Willst du darauf verzichten? Nie im Leben! Ich werde die Sache übernehmen!“
Humpelnd und hinkend schleppte sie sich zum größten Goldschmied der Stadt und bestellte eine große silberne Gans, die den Schnabel auf- und zumachen konnte.
„Morgen muss sie fertig sein!“
„Morgen? Spinnen Sie?“ rief der Goldschmied aus.
„Ich hab’ morgen gesagt!“ und die Alte nahm eine Tasche mit goldenen Münzen heraus, „Denken Sie darüber nach: Das ist nur eine Anzahlung; und morgen gebe ich Ihnen den Rest!“
Der Goldschmied stand mit offenem Mund da.
„Dann kann man versuchen, morgen fertig zu sein.“
Und am folgenden Tag war die Gans fertig: Sie war wunderbar.
Die Amme sagte dem Prinzen: „Nimm deine Geige und geh in die Gans hinein. Und wenn wir auf der Straße sind, fange an zu spielen.“
Sie gingen in der Stadt herum: die Amme zog die silberne Gans mit einem Band; der Prinz spielte in der Gans seine Geige. Die Leute standen mit offenem Mund Spalier. Alle liefen, um sie anzu- schauen und das Gerücht lief bis zum Schloss, wo die Tochter des Königs eingesperrt worden war. Sie bat ihren Vater, sie das Schauspiel anschauen zu lassen. Der König sagte: „Morgen ist die Zeit für jenen Prahlhans, den Prinzen gekommen, und du kannst dir die Gans anschauen gehen.“
Aber das Mädchen wusste, dass die alte Frau mit der Gans am folgenden Tag die Stadt verlassen musste, darum erlaubte der König, dass die Gans ins Schloss hereingebracht wurde, damit seine Tochter sie anschauen konnte. Die alte Amme wartete gerade darauf, dass das geschah. Als die Prinzessin mit der silbernen Gans allein war, begriff sie plötzlich, während sie noch dabei war, jene wunderbare Musik zu hören, dass die Gans offen war und ein Mann herausgesprungen war.
„Haben Sie keine Angst“, sagte der Mann, „ich bin der Prinz, der mit Ihnen sprechen können muss, um nicht von Ihrem Vater morgen enthauptet zu werden. Sie könnten sagen, dass Sie mit mir geredet haben, und dann würde ich gerettet sein.“
Am folgenden Tag ließ der König den Prinzen rufen: „Nun, hast du mit meiner Tochter dank deinem Geld sprechen können?“
„Genau, Majestät“, antwortete der Prinz.
„Wie? Meinst du, dass du mit ihr gesprochen hast?“
„Fragen Sie das bitte Ihre Tochter!“
Und die Prinzessin erzählte dem Vater, wie der Prinz in der silbernen Gans war, die der König selbst ins Schloss herein gelassen hatte.
Da hob der König die Krone von seinem Kopf ab und setzte sie auf den Kopf des Prinzen: „Das heißt, dass du nicht nur Geld, sondern auch ein feines Gehirn hast! Sei glücklich, da ich dir meine Tochter zur Frau gebe“.
(Aus Genua)